„Berufsbildung am Puls der Zeit“ – so lautet ein Leitsatz des Aus- und Weiterbildungsverbundes Altenburg. Der Verbund sieht im Strukturwandel auch eine Gelegenheit, Zukunftstrends beherzt aufzugreifen, sich neu zu positionieren und seine Bildungsangebote zu erweitern. Darüber wollten wir mehr erfahren. Ein Besuch.
Fast 30 Jahre existiert der Aus- und Weiterbildungsverbund Altenburg e. V. – kurz: AWA – nunmehr. Der Bildungsträger wurde 1993 gegründet, also inmitten des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umbruchs der Nachwendejahre. Seinerzeit mussten zahlreiche Industriebetriebe in Altenburg schließen. Die Produktion von Nähmaschinen, für die die Stadt zu DDR-Zeiten bekannt war, verlor ihre Existenzgrundlage. Viele Menschen zogen fort. Und die Dagebliebenen mussten vielfach erleben, wie ihre Kompetenzen und Fertigkeiten nicht mehr gefragt waren. Niemand konnte einschätzen, wie sich Wirtschaft und Arbeitsmarkt unter den neuen Marktbedingungen entwickeln würden. Unklarheit herrschte auch bei der Frage, welche Anforderungen an Bildung mit den veränderten Rahmenbedingungen einhergehen.
Der Start des AWA fiel also in eine Zeit des Umbruchs und voller Unsicherheiten. Auch wenn sich der Kontext verändert hat, so lassen sich doch einige Parallelen zwischen damals und heute ziehen: Der Verbund steht auch aktuell vor der Aufgabe, neue Technologien und Berufsbilder aufzugreifen und daraus zeitgemäße Bildungsangebote zu kreieren. Kein leichtes Unterfangen, gerade wenn man sich die thematischen Schwerpunkte des AWA vor Augen führt. Diese können als durchaus klassisch und handfest bezeichnet werden. Mit Metalltechnik und Zerspanungsmechanik ist der Verein groß geworden, später kamen unter anderem Elektrotechnik, Mechatronik sowie Kunststoff- und Verbundwerkstofftechnik hinzu. Diese Felder prägen bis heute das Qualifizierungsprofil des Bildungsträgers. In den vergangenen Jahren wurden schrittweise neuere Zukunftsfelder aufgegriffen. Hierzu gehören Automatisierung/Robotik und 3D-Druck, aber auch Querschnittsthemen wie vernetzte IT-Systeme haben an Relevanz gewonnen.
Der AWA finanziert sich, und darauf legen die Verantwortlichen großen Wert, eigenverantwortlich. Die Betriebskosten werden im Wesentlichen durch die Einnahmen aus den Aus- und Weiterbildungsangeboten gedeckt. Durch seine Unabhängigkeit und die Fähigkeit, sich selbst zu tragen, hat der AWA relativ große Spielräume hinsichtlich der Ausrichtung seiner Bildungsangebote. Impulse über gewünschte Inhalte nimmt er in erster Linie von seinen Wirtschaftspartnern auf, die Bildungsangebote nachfragen. Dies verlangt einerseits Flexibilität. Andererseits trägt es aber auch dazu bei, nicht den Anschluss an neue Technologietrends zu verpassen.
Dahingehend ist nämlich im Altenburger Land einiges in Bewegung – gerade im Bereich der Mobilität. Im Landkreis sind verschiedene Zulieferbetriebe der Automobilbranche angesiedelt. Durch die tiefgreifenden Transformationsprozesse innerhalb der Branche (Stichworte: E-Mobilität und autonomes Fahren) sind die Betriebe herausgefordert, ihre Produkte und Fertigungstechniken weiterzuentwickeln. Dies führt zu einer wachsenden Nachfrage nach Qualifizierung, etwa im Bereich der Automatisierungstechnik, für die der AWA entsprechende Angebote bereitstellt.
Neben seinen Partnerunternehmen steht der AWA mit zwei weiteren Institutionen der regionalen Wirtschaft in engem Austausch. Zum einen fungiert die Industrie- und Handelskammer (IHK) Ostthüringen als wichtige Ansprechpartnerin, wenn es zum Beispiel darum geht, neue Lehrgänge vom Papier in die Praxis zu überführen. Hier bringt der AWA seine Ideen und Anregungen regelmäßig in den Aus- und Weiterbildungsausschuss der Kammer ein. Und zweitens engagiert sich der AWA in der „Wirtschaftsvereinigung Altenburger Land Metropolregion Mitteldeutschland“ (WAMM), der Dachorganisation zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landkreises.
Aber auch außerhalb der Wirtschaft hat der AWA weitreichende Netzwerke aufgebaut. Gerade die Kontakte zu regionalen Hochschulen, allen voran zur Ernst-Abbe-Hochschule Jena und zur Dualen Hochschule Gera-Eisenach, werden als fruchtbar angesehen. War der Austausch bisher vor allem fachlicher Natur, sind nunmehr auch strategische Fragen in den Mittelpunkt gerückt. Hierzu gehören mögliche Anschlussperspektiven für Studierende, die Zweifel an ihrer Studienentscheidung hegen oder das Studium bereits abgebrochen haben. Der AWA will in diesem Bereich zukünftig verstärkt agieren, indem er entsprechende Angebote zur Neuorientierung gibt.
Im Zuge des Braunkohleausstiegs erhält der Landkreis Altenburger Land in den kommenden Jahren Strukturstärkungsmittel in Höhe von 90 Millionen Euro. Dabei soll unter anderem der AWA bedacht werden. Vorgesehen ist, diesen zu einem „Bildungs- und Dienstleistungscenter 4.0“ auszubauen. Hierbei sollen die Kooperationsnetzwerke mit Unternehmen und Hochschulen der Region gefestigt und erweitert werden. Zudem ist geplant, ein modernes Bildungs- und Forschungsgebäude zu errichten, das das Profil des Landkreises in wichtigen Zukunftsbranchen wie Robotik und 3D-Druck stärkt. Die erwarteten Wirkungen sind zweierlei: Zum einen soll das Zentrum mit seinem erweiterten Aus- und Weiterbildungsangebot als Magnet wirken, indem es die Attraktivität des Landkreises erhöht und Unternehmen zur Ansiedlung bewegt. Zum anderen soll mit dem Zentrum ein fruchtbarer Nährboden für Innovationen, Erfindergeist und Unternehmensgründungen geschaffen werden.