Präsentation und Diskussion der Studie

Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel – Veranstaltungsrückblick

Weiterbildung und Strukturwandel sind große und wichtige Themen. In einer qualitativen Studie brachte BiSMit beide Themen zusammen und analysierte die Weiterbildungslandschaft im Mitteldeutschen Revier. Die zentralen Ergebnisse der Studie wurden nun im Rahmen einer Präsentationsveranstaltung vorgestellt und mit Expertinnen und Experten diskutiert. Wir blicken zurück auf einen anregenden Nachmittag.

Weiterbildung in Mitteldeutschland

Wie ist die Weiterbildungslandschaft im Mitteldeutschen Revier aufgestellt? Wie arbeiten die unterschiedlichen Akteure dabei zusammen? Welche Gestaltungsperspektiven eröffnen sich? Und wie ist die Situation der Bildungsträger? Diese Fragen standen im Mittelpunkt unserer Online-Veranstaltung zur berufsbezogenen Weiterbildung.

Als Wissenschaftler ist man mitunter etwas verunsichert. Die Gedanken ranken sich um Fragen wie: Stößt das aufgegriffene Thema auf Interesse? Korrespondieren die Studienergebnisse mit den Erfahrungen der Praxisakteure? Und können Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger mit den Ergebnissen etwas anfangen? Im Idealfall löst sich die Verunsicherung am Ende des Forschungsprozesses auf, nämlich dann, wenn die Ergebnisse auf ein breites Publikum treffen und dort Resonanz erzeugen.

Etwas Verunsicherung war auch beim BiSMit-Team zu spüren, als es die Online-Veranstaltung „Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel – Präsentation und Diskussion der Studie“ plante. Doch spätestens als die Zahl der angemeldeten Teilnehmerinnen und Teilnehmer die 100er-Schwelle überschritt, war klar: Man hat mit dem Thema einen Nerv getroffen. Interessierte aus unterschiedlichen beruflichen Zusammenhängen schalteten sich virtuell zu. Die Bandbreite reichte von Geschäftsführerinnen von Bildungsdienstleistern über Verantwortungsträger auf Landesebene bis hin zu leitenden Angestellten aus den regionalen Kammern.

 

Wieso? Weshalb? Warum? Zum Bedeutungsgewinn von Weiterbildung angesichts des Strukturwandels

Zu Beginn der Veranstaltung wurde zunächst der normative Rahmen aufgespannt: Weiterbildung ist wichtig, um den verschiedenen Facetten des Strukturwandels (Dekarbonisierung, Demografischer Wandel, Digitalisierung) zu begegnen und einen Beitrag zur Fachkräftesicherung zu leisten. Dieser Erkenntnis folgend, sind in den vergangenen Jahren auf bundespolitischer Ebene zahlreiche Maßnahmen umgesetzt worden, um die Weiterbildungsbeteiligung zu erhöhen. Hervorzuheben sind hier die Nationale Weiterbildungsstrategie (seit 2019), das Qualifizierungschancengesetz (seit 2019) und das Arbeit-von-morgen-Gesetz (seit 2020). In Letzterem ist unmissverständlich dargelegt, dass „in lebensbegleitendem Lernen und Weiterbildung der Schlüssel zum Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit im Strukturwandel [liegt]“. Die bildungspolitische Zielrichtung ist also klar. Doch wie ist die Weiterbildungslandschaft im Mitteldeutschen Revier aufgestellt?

 

Die mitteldeutsche Weiterbildungslandschaft im Blick

Diese Frage stand im Zentrum der anschließenden Ausführungen. Dabei wurden zentrale Ergebnisse der Studie vorgestellt und zu vier Thesen verdichtet. These 1 widmete sich der Zuschreibung von Relevanz. Herausgearbeitet wurde, dass zwischen politisch Forciertem und realen Verhältnissen eine Lücke klafft. Einerseits herrscht in den arbeitsmarktpolitischen Institutionen ein breiter Konsens, dass Weiterbildung an Bedeutung gewinnen sollte, um die Region fit für die Arbeitswelt von morgen zu machen. Andererseits besteht bei den Adressaten – insbesondere KMU und Arbeitskräften – noch Zurückhaltung, sich für das Thema zu öffnen. Dabei bremst der Fachkräftemangel von heute teilweise die Ambitionen, die Fachkräftebedarfe von morgen in den Blick zu nehmen.

These 2 thematisierte die Orientierungsangebote und die Förderkulisse. Festzuhalten ist, dass es eine große Vielfalt an Orientierungsangeboten, Datenbanken, Förderprogrammen und Förderregularien gibt. Diese Vielfalt erschwert es Weiterbildungsinteressierten, sich im Feld zurechtzufinden. Da­ran anknüpfend wurde auf die Bedeutung von aufsuchender Beratung hingewiesen, um Unternehmen und Arbeitskräfte für Weiterbildung zu sensibilisieren und gezielt zu Inhalten, Formaten und Fördermöglichkeiten zu informieren.

These 3 nahm Bezug auf die Situation der regionalen Bildungsdienstleister. So offenbarte die Studie eine Diskrepanz. Zwar herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass es wichtig ist, eine vielfältige regionale Weiterbildungslandschaft zu erhalten und zu pflegen. Demgegenüber steht, dass sich die Situation für viele regionale Bildungsdienstleister in den vergangenen Jahren zugespitzt hat. Es besteht Anlass zur Sorge, dass sie im Wettbewerb mit überregionalen Dienstleistern und Online-Anbietern ins Hintertreffen geraten – und so die Region insgesamt geschwächt wird.

Als wichtiges Element, um eine Weiterbildungslandschaft vital zu halten, gelten Kooperationen. Allerdings, so wurde in These 4 pointiert, gibt es noch erhebliche unausgeschöpfte Potenziale. Einen deutlich größeren Stellenwert als bisher könnten dabei Unternehmen einnehmen. Sie sollten – im Sinne einer regionalen Verantwortungsgemeinschaft – stärker in die Weiterbildungslandschaft eingebunden werden. Denkbare Ansätze sind beispielsweise die Bereitstellung von Lehrpersonal, die Kofinanzierung moderner Maschinen oder Unterstützung beim Aufbau digitaler und praxisnaher Lehr-Lern-Formate.

 

Zur Einordnung der Thesen im Rahmen einer Podiumsdiskussion

Diese vier Thesen bildeten die Grundlage für die anschließende Podiumsdiskussion. Auf dem virtuellen Podium nahmen Platz: (1) Sven Mochmann, Experte für Strukturwandel bei der Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen, (2) Franziska Lorz, Referentin für berufliche Aus- und Weiterbildung am ZEFAS – Zentrum für Fachkräftesicherung und Gute Arbeit Sachsen und (3) Dr. Lars Knopke, Geschäftsführer des privaten Bildungsträgers Zukunftswerkstatt Mitteldeutschland mit mehreren Standorten im Mitteldeutschen Revier.

Zur Eröffnung des Podiums bezogen die Podiumsgäste zunächst Stellung zu den vier Thesen und brachten hierzu Erfahrungen aus ihrem beruflichen Alltag ein. Darauf aufbauend entwickelte sich eine engagierte Diskussion. Dabei wurde verdeutlicht, dass der Arbeits- und Fachkräftemangel eine schwerwiegende und nicht zu unterschätzende Langzeitkrise darstellt. Ohne Fachkräfte werden sich andere drängende Krisen dieser Zeit kaum bewältigen lassen. Beispiel Klimakrise: Eine große Bandbreite an Fachkräften wird benötigt, damit der Umbau der Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität gelingt. Weiterbildung wurde dabei als wesentliches Element gesehen, um die Fachkräftekrise einzudämmen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt kontinuierlich zusammenzubringen.

Doch wer trägt Verantwortung, damit die Chancen von Weiterbildung auch in der Breite der Gesellschaft erkannt werden? Auf dem Podium herrschte Konsens darüber, dass sich die Weiterbildungsbeteiligung nicht allein durch politischen Willen steigern lässt. Dies zeigt das Beispiel der Inanspruchnahme öffentlicher Fördermittel, etwa der Bundesagentur für Arbeit. So sind die Fördertöpfe zwar gut gefüllt, allerdings werden die Mittel bisher nur wenig abgerufen. Hier ist noch viel Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit erforderlich. In diesem Zusammenhang wurde die Weiterbildungsagentur Sachsen-Anhalt als gutes Beispiel genannt. Hierbei haben sich verschiedene Akteure von Bundes-, Landes- und regionaler Ebene zusammengeschlossen, um Erwerbspersonen und Unternehmen unter anderem dabei zu helfen, sich im „Dschungel“ der Förderangebote und -regularien zurechtzufinden.

Ein bisher noch wenig erschlossenes Potenzial erkannten die Podiumsgäste in aufsuchender Beratung. Wichtig ist es, Unternehmen und Erwerbspersonen direkt anzusprechen, um zunächst ein Bewusstsein für die Potenziale von Weiterbildung zu schaffen. So sind die meisten Unternehmen von der Etablierung einer Weiterbildungskultur noch weit entfernt. Dies trifft nicht nur auf KMU zu, sondern auch auf viele größere Betriebe. Hier ist vor allem die Geschäftsführung und das mittlere Management gefragt, Personalentwicklungsstrategien zu entwickeln und Impulse für eine vitale Lernkultur innerhalb des eigenen Betriebes zu setzen. Personalverantwortliche sollten mit gutem Beispiel vorangehen, wenn es darum geht, gegenüber neuen Ideen offen zu sein.

Ein weiterer Aspekt, der für Diskussionsstoff sorgte, war die Situation der regionalen Bildungsdienstleister. Die Kernfrage lautete: Wie viel kommt eigentlich von dem öffentlichen Schwung bei den Bildungsdienstleistern an? Hier kam eine Reihe von Herausforderungen zur Sprache. So wurden etwa die unzureichenden Mittel im Rahmen der Bundesdurchschnittskostensätze kritisiert. Dadurch würde es den Bildungsdienstleistern erschwert, auskömmlich zu wirtschaften. Darüber hinaus macht vielen Bildungsdienstleistern der Lehrkräftemangel zu schaffen. Sie haben häufig große Probleme, ihre offenen Stellen zu besetzen. Zusätzlich stehen Bildungsdienstleister vor der anspruchsvollen Aufgabe, das angestammte Personal kontinuierlich an neuere technologische Entwicklungen und Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt heranzuführen.

 

Ausblick

In der Veranstaltung drehte sich alles um das Thema Weiterbildung. Zweifellos ist Weiterbildung ein Dauerthema – und wird es auch in Zukunft sein. Das haben allein die Zahl der Teilnehmenden und die engagierte Diskussion bewiesen. Klar wurde allerdings auch, dass Weiterbildung nur ein Baustein zur Fachkräftesicherung sein kann. Einen weiteren wichtigen Baustein bildet die berufliche Orientierung. Daten zeigen, dass viele junge Menschen in Mitteldeutschland ihre Ausbildung oder ihr Studium abbrechen. Zudem bleiben zahlreiche Lehrstellen unbesetzt und es gibt eine hohe Zahl an Jugendlichen, die nach der Schullaufbahn ohne Ausbildungsplatz bleiben. Dies unterstreicht, dass es einen großen Bedarf an Angeboten zur beruflichen Orientierung gibt, die zielgerichtet die Zukunftsvorstellungen und persönlichen Voraussetzungen junger Menschen berücksichtigen. Genau dort setzt eine weitere BiSMit-Studie an, die 2023/2024 umgesetzt wird.

Materialien zur Veranstaltung

Präsentation

Laden Sie sich hier die in der Veranstaltung gezeigte Präsentation herunter.

Studienbericht

Der gesamte Studienbericht "Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel" steht zum Download zur Verfügung.

Themenseite

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