Das Netzwerkbüro Bildung im Strukturwandel in Mitteldeutschland (BiSMit) hat eine wissenschaftliche Studie zum Thema „Berufsbezogene Weiterbildung im Strukturwandel“ durchgeführt. Der nun veröffentlichte Studienbericht beleuchtet die Bedeutung des Themas Weiterbildung für die Fachkräftesicherung im Mitteldeutschen Revier. Mithilfe von Dokumentenanalysen und Experteninterviews werden unterschiedliche Perspektiven zum Thema Weiterbildung berücksichtigt, Gestaltungsansätze für eine vitale Weiterbildungslandschaft und gute Beispiele aus der Praxis aufgezeigt.
In vielen Berufen herrscht bereits jetzt ein Fachkräftemangel, der sich in den kommenden Jahren aufgrund des demografischen Wandels verstärken wird. Geburtenstarke Jahrgänge scheiden aus dem Erwerbsleben aus, zu wenige junge Menschen rücken nach. Vor diesem Hintergrund kommt es verstärkt darauf an, alle Arbeitskräftepotenziale zu heben. Hierbei kann Weiterbildung einen wichtigen Beitrag leisten. Durch Weiterbildung wird es Erwerbspersonen auch in fortgeschrittenen Lebensphasen ermöglicht, Qualifikationen und Kompetenzen zu erwerben, die auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Dies gilt insbesondere für digitale und automatisierte Technologien sowie für umwelt- und klimaschonende Anwendungen.
Die im Feld der Weiterbildung im Mitteldeutschen Revier tätigen Akteure, beispielsweise die Kammern, die Bundesagentur für Arbeit, die Bildungsträger, sind sich einig, dass das Thema in Zukunft an Bedeutung gewinnen muss. Bei den Adressaten, etwa bei Unternehmen und erwerbsfähigen Personen, ist die Notwendigkeit von Weiterbildung hingegen bisher weniger präsent. „Ein Grund hierfür liegt in der Struktur der mitteldeutschen Wirtschaft. Sie ist durch kleine und mittelständische Unternehmen geprägt, denen es häufig an vorausschauenden Personalentwicklungsstrategien fehlt. Viele Unternehmen haben in erster Linie kurzfristige Bedarfe im Blick und können Arbeitskräfte nicht für längere Zeit freistellen“, erklärt Dr. Stefan Haunstein, Autor der Studie. „Außerdem ist es gerade der Fachkräftemangel, der die Motivation bremst, zeitaufwendige Weiterbildungen in Anspruch zu nehmen: Selbst mit geringen Qualifikationen finden erwerbsfähige Personen aktuell schnell neue Arbeit“, so Dr. Haunstein.
Auch mit Blick auf die regionalen Weiterbildungsträger konnte die Studie eine Reihe von Herausforderungen identifizieren. Hierzu gehören der Lehrkräftemangel und der wachsende Konkurrenzdruck durch reine Online-Anbieter. Zudem bestehen Unsicherheiten hinsichtlich zukünftiger technologischer Entwicklungen, was Investitionsentscheidungen erschwert.
Bei der Auswertung der Dokumente und Interviews haben sich insbesondere folgende Handlungsfelder herauskristallisiert, die die Kommunen, aber auch die Landesebenen betreffen und auf die Koordination von Weiterbildungsangeboten gerichtet sind: Angebote der Weiterbildungsträger und Anforderungen der zukünftigen Arbeitswelt sollten systematischer zusammengebracht werden. Um die Weiterbildungslandschaft zu vitalisieren, müssten technologisch fortschrittliche Unternehmen stärker in die Angebotsstruktur eingebunden werden. Außerdem sollten mehr Kooperationen zwischen Weiterbildungsanbietern initiiert werden, um der Vielfalt an Weiterbildungsbedarfen, etwa hinsichtlich Inhalten, Formaten und Umfang, gerecht werden zu können.
Bei der Analyse der Weiterbildungslandschaft rücken die ländlichen Räume des Mitteldeutschen Reviers immer wieder in den Fokus. Hier verstärken sich demografische, soziale und wirtschaftliche Herausforderungen wechselseitig. „Mit dem politischen Bewusstsein, dass Weiterbildungspolitik auch Standortpolitik ist, kann ein wichtiger Beitrag zur Fachkräftesicherung vor Ort geleistet werden“, so Dr. Stefan Haunstein.
Die Ergebnisse der Studie werden in einer Online-Veranstaltung am 29. März 2023, 13 Uhr präsentiert und diskutiert.
Das Netzwerkbüro Bildung im Strukturwandel in Mitteldeutschland (BiSMit) baut ein regionales Bildungsmonitoring für das Mitteldeutsche Revier auf und führt wissenschaftliche Studien zu Themen an der Schnittstelle von Bildung und Strukturwandel durch. BiSMit wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.
Angesiedelt ist das Netzwerkbüro BiSMit beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) am Standort Halle (Saale) und mit einer Projektgruppe in Leipzig. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) ist eines der größten sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitute Europas. Aktuell arbeiten etwa 500 Mitarbeitende an den Standorten München und Halle (Saale)/Leipzig. Sie untersuchen die Lebenslagen von Kindern, Jugendlichen und Familien sowie die damit zusammenhängenden sozialstaatlichen Angebote und Maßnahmen. Seit 60 Jahren beraten die Expertinnen und Experten des DJI Politik und Verwaltung von Bund, Ländern und Kommunen. Sie analysieren gesellschaftliche Trends, begleiten neue fachliche Entwicklungen wissenschaftlich, erarbeiten Prognosen für die Zukunft und liefern wichtige Impulse für die Fachpraxis.
Dr. Bettina von Frommannshausen