Strukturwandel braucht Bildung – Veranstaltungsrückblick

Im Mitteldeutschen Revier fallen durch den Kohleausstieg Arbeitsplätze weg. Gleichzeitig entstehen neue Arbeitsplätze in neuen Branchen mit der Folge eines Fachkräftemangels, der durch den demografischen Wandel verstärkt wird. Das heißt, Weiterbildungsangebote und lebenslanges Lernen werden immer wichtiger. Diese und weitere Ergebnisse einer umfassenden Bestandsaufnahme der Bildung im Mitteldeutschen Revier stellte BiSMit am 9. Dezember in einer Online-Veranstaltung vor und diskutierte sie mit Expertinnen und Experten.

Energiewende, Kohleausstieg, Digitalisierung: Die Welt ändert sich, und zwar hier und jetzt. Berufliche Bildung und Weiterbildungsangebote müssen auf neue Anforderungen in der Arbeitswelt vorbereiten.

Strukturwandel im Revier

Demografischer Wandel, Digitalisierung und Dekarbonisierung – diese Schlagworte beschreiben den Wandel von Arbeits- und Lebenswelt in den Kommunen des Mitteldeutschen Reviers. In seinem einführenden Vortrag erläuterte Stefan Haunstein, wissenschaftlicher Referent bei BiSMit, dass Energiewende und Braunkohleausstieg nicht die einzigen Herausforderungen des Strukturwandels sind. Die Klimakrise zwingt zum schnellen Handeln, zum Umbau unserer Energiewirtschaft und der damit verbundenen Arbeitswelt. Gleichzeitig fordern technologischer Fortschritt und Digitalisierung in weiteren Branchen kontinuierliche Anpassungen von Berufsbildern und Kompetenzen. Bestimmte Tätigkeitsprofile werden durch Digitalisierung und Automatisierung substituiert. Hinzu kommt der Verlust von Arbeitsplätzen durch den Braunkohleausstieg.

Wird es also in Zukunft in Mitteldeutschland weniger Arbeit für mehr Menschen geben? Das Gegenteil ist der Fall. Denn die demografische Entwicklung in den Revierkommunen zeigt, dass gerade die Landkreise einen Fachkräftemangel beklagen, der sich zukünftig noch verstärken wird. Mit zunehmender Überalterung der Bevölkerung kommt es darauf an, die Region für junge Menschen attraktiv zu gestalten und Ausbildungs- und Lebenspläne zu ermöglichen.

Aus wirtschaftlicher Perspektive bietet die Energiewende beispielsweise in den Bereichen Grüner Wasserstoff, Photovoltaik, Bioenergie oder Batteriespeicherung Entwicklungspotenziale in der Region. Auch darüber hinaus wurde die wirtschaftliche Ausgangslage im mitteldeutschen Raum mit Optimismus betrachtet. Die größten Herausforderungen bestehen für die Landkreise, in denen sich demografische und wirtschaftliche Problemlagen wechselseitig verstärken. Gut bezahlte Industriearbeitsplätze, die in Zukunft wegfallen, müssen durch adäquate Beschäftigungsverhältnisse ersetzt werden. Angesichts des Wandels in der Arbeitswelt sollte es vor allem darum gehen, Beschäftigte und Arbeitgeber für die Notwendigkeit kontinuierlicher Weiterbildung zu sensibilisieren.

Bildungslandschaften im Revier

Anschließend stellte Dr. Tom Hoyer, ebenfalls wissenschaftlicher Referent bei BiSMit, bildungsstrategische Herausforderungen des Strukturwandels dar und erörterte Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen. Die neun Revierkommunen verteilen sich auf drei Bundesländer. Somit ist die Bildungslandschaft vielfältig und heterogen.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels werden Bildungsangebote vor Ort immer wichtiger. Sie tragen dazu bei, Menschen in der Region – auch im ländlichen Raum – zu halten. Einwohnerschwache Kommunen könnten dabei von Kooperationen und digitalen Formaten profitieren.

Hinsichtlich sich verändernder Anforderungen der Arbeitswelt wurde die Relevanz eines breiten Bildungsansatzes herausgestellt. Statt einer Orientierung auf Spezialwissen sollten Lern- und Methodenkompetenzen bereits im frühen Alter stärker gefördert werden. Die rasante technische Entwicklung verkürzt die Halbwertszeiten von technologischem Wissen zunehmend. Umorientierungen im Laufe von Erwerbsbiografien werden immer häufiger notwendig. Somit kommt den Themen Weiterbildung und lebenslanges Lernen eine neue zentrale Rolle zu. Es bedarf passgenauer Weiterbildungsangebote. Ebenso werden Informationskanäle benötigt, um Angebote und Nachfrage zu vermitteln, auch über den Bereich der Berufsorientierung hinaus. Institutionalisierte Bildungsberatung muss entsprechend als Querschnittsaufgabe für alle Alters- und Berufsgruppen betrachtet werden.

Auch das Thema Digitalisierung erfordert bildungsstrategische Maßnahmen. Es gilt, Multiplikatoren für die Vermittlung digitaler Kompetenzen zu schulen – eine Aufgabe, die in den Zuständigkeitsbereich der medienpädagogischen Zentren und Beratungseinrichtungen fällt. Gleichzeitig bieten Einrichtungen wie das Zukunftszentrum Digitale Arbeit Sachsen-Anhalt, das Zukunftszentrum Sachsen oder das Digitalisierungszentrum Zeitz auf den Strukturwandel abgestimmte Weiterbildungs- und Beratungsangebote für Unternehmen und Arbeitswelt.

Zur Bewältigung künftiger Bildungsaufgaben gibt es im Revier eine differenzierte Bildungslandschaft. Wichtig ist, dass die Akteure und Initiativen eine revierweite Perspektive einnehmen und länderübergreifend transparent und vernetzt arbeiten.

Wichtige Impulse von Expertinnen und Experten

Im Anschluss an die Vorträge begrüßten wir Dr. Anja C. Wagner von der Firma Frolleinflow und Dr. Per Kropp vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu einer virtuellen Podiumsdiskussion.
Beide betonten, wie wichtig eine schnelle Umstellung der Energieversorgung und anderer Lebensbereiche angesichts des Klimawandels sei. Frau Dr. Wagner stellte die zentrale Rolle von lebenslangem Lernen im 21. Jahrhundert heraus. Dabei seien Netzwerke und Kooperationen von besonderer Bedeutung. Sie benannte die Idee einer „vernetzten Lernregion“, wo Angebote gebündelt und digital allen Interessierten zugänglich gemacht werden könnten.

Herr Dr. Kropp verdeutlichte, dass das Mitteldeutsche Revier sich aktuell zu einer „grünen“ Energieregion entwickele. Es gibt also gute Voraussetzungen, um den Strukturwandel positiv zu gestalten. Alle drei deutschen Braunkohlereviere könnten eine Vorreiterrolle einnehmen, denn sie erhalten – im Gegensatz zu anderen Regionen – zusätzliche Fördermittel. Diese gelte es, mit Blick auf die Zukunft sinnvoll einzusetzen.

Auch aus dem Publikum kamen viele Wortmeldungen, die unterschiedliche Perspektiven zu Bildung und Strukturwandel eröffneten. An der Diskussion beteiligten sich unter anderem Vertreterinnen und Vertreter des Deutschen Gewerkschaftsbundes, der Universität Leipzig, der Metropolregion Mitteldeutschland, verschiedener Ministerien und der TÜV Akademie.

Wir bedanken uns bei unseren Gästen für den impulsgebenden Austausch!

Ihre Fragen zur Veranstaltung beantwortet

Annika Schindelarz

Tel.: 0341-993923 22 E-Mail: schindelarz@dji.de