Grüner Wasserstoff – Stoff der Zukunft?

Die Sonne scheint nicht immer. Und auch der Wind macht, was er will. Für eine gelingende Energiewende braucht es daher eine Technologie, die solche Schwankungen ausgleichen kann. Grüner Wasserstoff gilt dabei als Schlüssel zum Erfolg. Hier bringt sich das Mitteldeutsche Revier in Position – in Industrie, Forschung und Bildung.

Mit grünem Wasserstoff bleibt das Mitteldeutsche Revier auch in Zukunft eine Energieregion. Zahlreiche Initiativen und Projekte bündeln Kompetenzen und bringen das Thema schrittweise in die Schul- und Hochschulbildung ein.

Wasserstoff- oder E-Antrieb – eine Glaubensfrage

Im August dieses Jahres, zur Hochphase des Bundestagswahlkampfs, traf Armin Laschet auf Elon Musk. Der Tesla-Chef führte den Kanzlerkandidaten über die Baustelle seiner Gigafactory im brandenburgischen Grünheide. Der Spaziergang endete mit einem Pressegespräch. Laschet fragte Musk, ob er die Zukunft des Automobils im Wasserstoff- oder im Elektroantrieb sehe. Musks Reaktion sprach Bände: Sein Lachen, irgendwo zwischen Heiterkeit und Häme einzuordnen, ließ Laschet wie einen naiven Lehrling dastehen. Laschet versuchte die Situation zu retten, indem er erklärte, dass dies ein wissenschaftliches Streitthema sei. Nicht allerdings für Musk, der hält nichts von Wasserstoff. Bei seinen Fahrzeugen setzt er auf Elektromotoren. Gleiches gilt für die meisten Automobilhersteller hierzulande und weltweit: Sie stellen ihre Produktion auf E-Mobilität um. Und Wasserstoff? Zu ineffizient, zu teuer – wird gesagt.

Grüner Wasserstoff als Schlüsseltechnologie der Energiewende

Die Karten scheinen also gelegt zu sein – zumindest in der Pkw-Mobilität. Allerdings gehört zur Energiewende mehr als nur die Elektrifizierung von Pkw. Auch andere Branchen müssen sich mit der Frage befassen, wie ihre Zukunft abseits fossiler Energieträger aussehen könnte. Dies gilt etwa für den Lkw-, Schiffs- und Flugverkehr. Gerade in Bereichen, in denen die Batterie als Speichermedium aufgrund ihres Gewichtes an Grenzen stößt, ist die Wasserstoff-Technologie in den Fokus gerückt. Aber auch energieintensive Wirtschaftszweige wie die Stahl-, Zement- und chemische Industrie begeben sich auf die Suche nach Alternativen fernab von Kohle, Gas, Öl und Kernkraft.

Klar ist, dass in den kommenden Jahren regenerative Energien – allen voran Wind- und Solaranlagen – massiv ausgebaut werden. Klar ist aber auch, dass das Aus der fossilen Energieträger eine Leerstelle hinterlassen wird. Während etwa Kohle und Gas rund um die Uhr verfeuert und daraus Energie gewonnen werden kann, ist dies bei den Erneuerbaren etwas diffiziler. Die Sonne scheint eben nicht rund um die Uhr. Und Wind weht auch nur, wie es ihm grad passt. Es braucht also eine Technologie, die imstande ist, solche sogenannten Dunkelflauten zu kompensieren. Hier kommt Wasserstoff ins Spiel. Als „grün“ wird dieser dann bezeichnet, wenn er aus erneuerbaren Energien produziert wurde.

In politischen Kreisen gilt grüner Wasserstoff als wichtiger Baustein der Energiewende. Im Juni 2020 verabschiedete die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie. Damit wird das Ziel verfolgt, eine bundesweite Wasserstoffwirtschaft aufzubauen und diese mit internationalen Partnern zusammenzubringen, um eine CO2-neutrale, stabile und bezahlbare Energieversorgung zu gewährleisten. Grüner Wasserstoff soll zur Schlüsseltechnologie und zum Wachstumstreiber der Bundesrepublik werden. Auch im aktuellen Sondierungspapier von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP zur Bildung einer Koalition hat Wasserstoff als Zukunftsbranche seinen Platz gefunden.

Von brauner Kohle zu grünem Wasserstoff – das Mitteldeutsche Revier erfindet sich neu

Das Ende der Braunkohlewirtschaft ist beschlossene Sache. Allerdings ist damit keinesfalls das Aus des Mitteldeutschen Reviers als Energieregion besiegelt. Das Revier erfindet sich neu – und hat grünen Wasserstoff als zukunftsträchtige Technologie für sich entdeckt. 2013 wurde das Netzwerk Hydrogen Power Storage & Solutions East Germany e. V. (kurz: HYPOS) mit Sitz in Leipzig und Halle (Saale) gegründet. Aus den anfänglich sieben Mitgliedern sind mittlerweile über 150 geworden. Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bündeln ihre Kompetenzen und Innovationskraft, um die Potenziale der Wasserstoffwirtschaft zu entfalten. Gemeinsam mit der Metropolregion Mitteldeutschland richtete HYPOS Anfang November den ersten Mitteldeutschen Wasserstoffkongress in Leuna (Landkreis Saalekreis, Sachsen-Anhalt) aus. Dass die Wahl auf Leuna fiel, kam dabei nicht von ungefähr, schließlich entwickelt sich die Stadt zu einem wichtigen Produktionsstandort von grünem Wasserstoff. Gegenwärtig wird in Leuna die weltgrößte Anlage zur PEM-Wasserstoff-Elektrolyse gebaut. Mit dem dort produzierten grünen Wasserstoff ließen sich zukünftig beispielsweise 600 Brennstoffzellen-Busse im Jahr versorgen.

Der Weg in die Bildungsinstitutionen

Mit grünem Wasserstoff beschäftigen sich Industrie und Politik – aber nicht nur. Auch hält das Thema schrittweise Einzug in die Bildungsinstitutionen des Mitteldeutschen Reviers. So startete HYPOS im Frühjahr dieses Jahres das Projekt „HYPOS macht Schule“. Ziel ist es, Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 8 bis 10 für das Thema zu begeistern, die Zukunftspotenziale zu vermitteln und die Vielfalt an Berufsfeldern aufzuzeigen. Als eine der ersten Schulen nahm das Gustav-Hertz-Gymnasium in Leipzig-Paunsdorf an dem Projekt teil und führte zum Schuljahr 2021/2022 das Wahlfach "Grüner Wasserstoff" ein. Dabei lernen die Jugendlichen zum Beispiel, dass grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, wohingegen grauer aus fossilen. Das Erlernte wird anschließend erprobt, wofür Elektrolyse-Versuchskoffer zum Einsatz kommen. Das Wahlfach beinhaltet zudem eine Exkursion in den Chemiepark Bitterfeld-Wolfen, der neben Leuna zu den wichtigsten Standorten der Wasserstoffwirtschaft in der Region zählt.

Aber nicht nur in der Schul-, sondern auch in der Hochschullandschaft in Mitteldeutschland gewinnt das Thema an Fahrt. Das Institut für Infrastruktur und Ressourcenmanagement der Universität Leipzig organisierte im Juli 2021 einen Workshop, in dem Erkenntnisse zur Speicherung von Wasserstoff geteilt wurden. Zur gleichen Zeit startete die Hochschule Anhalt gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen in Halle (Saale) und südkoreanischen Partnern ein Kooperationsprojekt, in welchem der internationalen Logistik von grünem Wasserstoff auf den Grund gegangen wird.  Und an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) in Leipzig können Studierende der Ingenieurswissenschaften in einem Labor praktische Erfahrungen mit der Wasserstofftechnologie sammeln.

Ausblick

Das Mitteldeutsche Revier will auch zukünftig – also auch nach dem Ende der Braunkohleverstromung – eine Energieregion bleiben. Hierfür stellt es bereits heute die Weichen, indem es grünen Wasserstoff als wegweisenden Wirtschaftszweig erkannt hat und unterstützende Strukturen geschaffen worden sind. Hierzu gehört auch das Thema Bildung, wenngleich entsprechende Initiativen bisher noch in den Kinderschuhen stecken und noch nicht systematisch miteinander verknüpft werden. Hier sollte in Zukunft angesetzt werden, etwa durch die Weiterentwicklung und Etablierung schulischer Orientierungsangebote, damit Heranwachsende frühzeitig mit dieser Schlüsseltechnologie der Energiewende vertraut gemacht werden. Dass bei Jugendlichen eine große Bereitschaft besteht, sich mit Klimathemen zu beschäftigen, hat nicht zuletzt die Bewegung Fridays for Future deutlich gezeigt.

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